Am Donnerstag, dem 6. Mai 2021 betrug die Inzidenz der Region Hannover weniger als 100, in Worten: WENIGER ALS HUNDERT!!! Die magische Zahl. Wir rieben uns verwundert die Augen und fragten uns wie das wohl passiert sei. Und die Zeitung flippte geradezu aus: 'Ende der Notbremse in Sicht' und dann rechnete sie vor, wie und wann Ausgangssperre und Co fallen würden.
Am Freitag dann betrug der Inzidenzwert 112 und etwas und alles blieb wie gehabt. Am Samstag schrieb die Zeitung der unter-Hundert-Wert habe auf einem Übermittlungsfehler an die Behörde gelegen, eigentlich sei das viel höher gewesen. Am Muttertag waren wir wieder unter Hundert, aber Sonn- und Feiertage zählen nicht. Und am Montag, also gestern, wieder über Hundert. Also alles von vorn.
Immer, wenn der Lagerkoller knapp vorm Zuschlagen ist, setzen wir uns ins Auto und fahren irgendwo hin. Auch an einem der schöneren Tage der letzten zwei Wochen sind wir 'mal raus'. 'Frische Luft schnappen', sagte meine Oma dazu und meinte damit einmal zu Fuß rund ums Dorf. Das war damals noch klein und übersichtlich, hauptsächlich Bauernhöfe und Fachwerk, dadurch war der Spaziergang auch für ein kleines Mädchen akzeptabel. Meine Oma war eine Sachensucherin, sie fand immer etwas längs des Wegs, was jemand verloren hatte. Meine Mutter stöhnte dann, nahm mir das Gefundene weg und schrubbte es erst einmal mit Ata (falls es jemand nicht kennt: ein Putzmittel, das alles wegscheuert, alles) ab. Aber das war einmal. Heute würde einmal rund ums Dorf wahrscheinlich 2 Stunden dauern, weil die Bauern aus ihren Äckern Bauland gemacht haben (jaja, der Bürgermeister war auch Landwirt damals und es floss viel Geld) und gebaut, gebaut, gebaut wurde. Und das Dorf meiner Kindheit verschwand. Und die Idylle.
Diese Pandemie erfordert eine ganze Menge an 'frische Luft schnappen'. Meistens fahren wir vor die Tore Hannovers und laufen die Wirtschaftswege zwischen Isernhagens Äckern beim Seefugium ab. Oder wir laufen rund um den Hufeisensee. Der gehört zum Wietzepark, das ist das Landschaftsschutzgebiet rechts und links des Flüsschens Wietze in der Gegend Langenhagens und Isernhagens. Die Wietze entsteht östlich von Hannover aus zwei kleinen Flüsschen, fließt zuerst nach Westen und biegt in eben diesem Wietzepark nach Norden ab. Bis sie nach 30 Kilometern beim Ort (na wie heißt er wohl) Wietze in die Aller mündet. Der Wietze wurde in den letzten 60 Jahren so einiges angetan, es wurde begradigt, kanalisiert, die Randbereiche entwässert. Die wunderbaren Knabenkräuter, eine unserer einheimischen Orchideen, verschwanden. Auch das ist ein Stück verlorene Kindheit.
Seit fast 10 Jahren bemüht sich Hannover, diese Dinge rückgängig zu machen. Aber das ist aufwendig und verschlingt viel Geld. Millionen. Und eine gestorbene Pflanze macht das nicht wieder lebendig. Aber immerhin - ein Auwald soll entstehen, Fische wieder angesiedelt werden, der Fluss wird kurvig. Alles dank einer EU-Richtlinie. Wer sagt, wir bräuchten die EU nicht?
Der Hufeisensee entstand durch den Kiesabbau. Er ist ein Grundwassersee, es gibt einen Badebereich und einen Sandstrand, der DLRG wacht über die Badenden, die Wasserqualität wird regelmäßig kontrolliert. Es gibt eine Gaststätte für etwas Trinken oder Essen oder Eis - also wenn offen ist und nicht gerade Pandemie. Am Ufer stehen Bänke für ein kleines Päuschen.
Einmal drumherum laufen war für uns ein überschaubarer Sparziergang, nur die frische Luft war noch etwas kühl.