Ja, ich weiß, es ist schon etwas vorbei. Letzten Samstag. Aber die Tage rennen. Deshalb - habt Ihr geschaut? Wir haben. Schließlich sind wir hier in Hannover fast so etwas wie verwandt mit dem König und flanieren regelmäßig durch die ehemals königlichen Gärten in Herrenhausen. Mit Sophie fing alles an, die Gärten und die Windsors, auch wenn die sich daran nicht mehr so gern erinnern, wegen Hitler und so. Und die Besuche der Queen und des Kronprinzen Charles in Hannover wurden hier besonders gefeiert, weil sie so selten waren. Gut, im letzteren Fall galten Feiern und Begeisterung mehr seiner Ex-Frau Diana, damals noch schlechtgelaunte Ehefrau, aber das vergessen wir schnell. Und nun ist er König Charles III.
Ich finde es ja blöd, wenn erst der königliche Amtsinhaber, in diesem Fall Queen Elisabeth, sterben muss, bevor der nächste auf den Thron darf. Wie soll der sich denn da so richtig freuen? Trauer vermischt sich mit Anspannung, mit vielleicht Freude, in die Feiern. Die Niederländer haben es meiner ganz unmaßgeblichen Meinung nach da viel besser gemacht.
Prächtig war die Krönung, so schöne Kutschen, so schöne Menschen, so schöne Kronen, die Diamanten funkelten. Was hätte man damit bei "Bares für Rares" an Aufsehen erregen können. Natürlich haben wir geschaut, die letzte Krönung, die von Elisabeth II. war vor unserer Zeit, aber unsere Eltern haben damals geschaut, meine bei den Nachbarn, die hatten schon ein Schwarz-Weiß-Fernsehgerät. Danach wurde auf ein eigenes gespart. Man wusste ja nie, ob nicht bald wieder ... Mir fiel ein Buch aus dem Regal meiner Schwiegermutter ins Auge: Paul Gallico. Herr Gallico hat viel geschrieben, über eine Mrs. Harris, die ein Kleid von Dior haben will und das gekenterte Schiff Poseidon, deren Passagiere verzweifelt versuchen sich zu retten. Er starb übrigens bereits 1976 mit Ende 70 und hat mehr oder weniger, schließlich war er US-Bürger, die Krönungen von Edward VII. (1902), Georg V. (1911), Georg VI. (1937) und Elisabeth II. (1953) miterlebt. So entstanden die zwei Kurzgeschichten in meinem Buch, eine zur Krönung Georg VI., eine zur Krönung Elisabeth II. Besonders die erste schildert die Krönungsgeschehnisse aus Sicht einer jungen Amerikanerin und ihrer Freundin, als sei es Samstag gewesen ...
Lesen wir auf Seite 20: "In meinem ganzen Leben hat mich nichts so beeindruckt wie die Art und Weise, in der das Lamm von einem König ... all die Dinge tat, die sie ihn zu tun zwangen. Ich meine, dauernd nahmen sie ihm Kleider ab und legten ihm andere an, beteten über ihm, gaben ihm Gegenstände zu halten und nahmen sie ihm wieder weg, ehe er noch einen richtigen Blick darauf werfen konnte; und vermutlich muss er zum Juwelen-Tower gehen, wenn er sich die Kronjuwelen einmal richtig ansehen will, denn hier hatte er sie kaum in der Hand, da stürzte schon irgendein freundlicher alter Erzbischof herbei, nahm sie ihm ab und gab sie einem andern, und ganz plötzlich reichten sie ihm eine ganze Menge von Dingen auf einmal, und ehrlich, noch nie im Leben hat mir jemand so leid getan: in der einen Hand einen goldenen Ball mit einem Kreuz darauf, in der anderen Hand ein Zepter und auch noch etwas im Schoß. ...wie ein Collegeboy bei einer Teeparty ...
Dann griff der Erzbischof nach einer Art goldenen Ente und drehte ihr den Hals ab - vielleicht war das auch schon vorher geschehen - ich meine, da passierte so viel - und goss etwas Öl auf einen goldenen Löffel, und einen Moment dachte ich schon, das wolle er dem armen König eingeben, weil der aussah, als würde er sich einfach alles gefallen lassen, doch statt dessen tauchte er nur seinen Finger hinein und machte seine Zeichen auf dem König. Ach beinah hätte ich den Teil vergessen, in dem der Erzbischof den König allen Leuten in der Abbey nach allen vier Seiten hin vorstellte, und alle schrien: "Es lebe der König!" Und Trompeten schmetterten..." EinsA aktuell, nicht wahr?
Aus dem rororo Taschenbuch Nr. 1097 von 1968 "Waren Sie auch bei der Krönung" - Paul Gallico, Originaltitel der Geschichte: "Did you see the Coronation?", erschienen 1961 in London
In der Kurzgeschichte dreht sich viel um den Hunger, den die an der Krönung beteiligten Offiziellen hatten und um belegte Brote, die die jungen Amerikanerinnen, praktisch denkend, in ihre Kleidung genäht hereingeschmuggelt hatten. Als am Samstag die Wandschirme um König Charles gestellt wurden hatten wir sofort die Vision von Tee und Toast - und habt Ihr es bemerkt? Hinterher sah er viel entspannter aus.