Lust, mal etwas Schönes anzuschauen, etwas Altes, etwas Wertvolles? Auf eine Geschichte? Dann ist es Zeit für einen Ausflug zu Hannovers Gottfried-Wilhelm-Leibniz-Bibliothek in der Welfenstraße. In der kleinen feinen Ausstellung "Drei Länder, zwei Könige und ein Missverständnis - der Goldene Brief" kann man noch bis zum 29.03.2018 einen Blick auf einen Teil des hannoverschen Weltdokumentenerbes werfen: den Goldenen Brief, den ein birmanischer König 1756 an den englischen König Georg II., gleichzeitig Kurfürst von Hannover, schickte. Ganz entspannt, ganz umsonst und ohne Gedränge, nicht wie 2011 in der Kestnergesellschaft, als wir das erste Mal diese wohl wertvollste Post, die man bekommen kann, sehen durften: Einen Brief aus Gold, besetzt mit Rubinen, in einem "Briefumschlag" aus Elfenbein, geschrieben vor 261 Jahren
in einem fernen Land. Die Briten nannten es Burma, die Deutschen Birma. Seit sich das Land 1989 eine Verfassung gegeben hat, heißt es (das r bitte nicht mitsprechen und die erste Silbe betonen) Myanmar.
Wer weiß, wo es liegt? Atlas heraus, Asien aufschlagen, links von Thailand, rechts von Indien und Bangladesch, oben drüber liegt China, und der Himalaya, mittendrin ein langer Fluss mit großem Delta, eine lange Küstenlinie und viele Inseln im Indischen Ozean: da ist Birma. Rangun ist wohl die bekannteste Stadt - war da nicht mal was mit Film?
Birma war ganz, ganz früher ein Flickenteppich von kleinen Königreichen und Fürstentümern, einer bekriegte den anderen, es ging wie immer um Macht und Geld. Bis einer übrig blieb. Und dann stritten sich die Nachkommen untereinander. Auch die Nachbarländer mischten mit.
Schließlich kamen die Briten und nach drei Kriegen (der erste war 1826, da war Georg IV. König von Hannover und England) war Birma 1886 Teil von Britisch-Indien und Kolonie. Erst 1948 wurde es in die Unabhängigkeit entlassen. Die begann vielversprechend demokratisch und endete im Militärregime mit Abschottung gegen die übrige Welt. Und erst seit einigen Jahren bewegt sich das Land langsam, langsam auf eine Demokratie und globale Öffnung zu.
Friedlich war und ist es eigentlich nie in diesem Land der vielen ethnischen Gruppen. Aber Birma, Verzeihung - Myanmar braucht Geld und kurbelt deshalb den Tourismus an. Die Reisehinweise des Auswärtigen Amtes sind drei Meter lang, klingen mehr nach Abenteuerurlaub als Erholung und enden mit der Aufforderung, sich in eine Krisenvorsorgeliste einzutragen, damit im Falle eines Falles... Denn da gibt es ja auch noch so etwas wie Erdbeben.
Einer, der es schaffte, bei den Machtkämpfen alle auszuschalten und ganz Birma zu regieren, war König Alaungphaya. Er wurde 1714 in kleinen Verhältnissen geboren und war Verwaltungsbeamter auf dem Dorf, Dorfvorsteher. Aber dann wurde er zum Shootingstar. Die letzten 8 Jahre seines Lebens (er starb 1760) lief es für ihn. Wie war er? ein Militär? diplomatisch? mit Ausstrahlung auf Menschen? ein gewiefter Taktierer? Angeblich war er ein Kontrollfreak und, glaubt man seiner Statue, ein durchtrainierter Kämpfer. Er gründete seine eigene Dynastie, die Konbaug, sein Symbol war der göttliche Hamsavogel, ein ... hmm ... Schwan? Taube? Pfau?.
Um seine Ziele zu erreichen brauchte Alaungphaya dringend ausreichend Waffen und die hoffte er vom Herrscher in London zu bekommen, d. h. von König Georg II. Die britische Handelskompanie war dabei, in Birma eine Niederlassung zu gründen, "Negrais", um Erlaubnis zu fragen hatten sie vergessen, aber darüber würde er trotz seines Misstrauens gegenüber den Briten, die sich auf diese Art schon in Indien breitgemacht hatten, großmütig hinwegsehen. Selbstverständlich nahm er an, dass der ferne König in derselben Weise regieren würde wie er selbst, Kontrollfreak ;), die britische Bürokratie kannte er nicht.
Und dachte wohl, schreib ich ihm, so von König zu König und damit er gleich sieht, mit wem er es zu tun hat, mit den kostbarsten Materialien. Voller Freundschaftsangebot und Nettigkeit, erstmal. Und der Erlaubnis zur Handelsniederlassung, als Geste, so tun als ob. Eine Forderung nach Waffen als zweiten Schritt, nur mündlich, nicht schriftlich.
Der Text wurde sorgfältig entworfen, in birmanischer Sprache geschrieben und vorsichtshalber gleich eine Übersetzung (wer die wohl gemacht hat?) beigelegt. Ein umsichtiger Mann dieser Alaungphaya.
Damals war der Briefbogen auch nicht zerknittert, nicht eingerissen und besser lesbar. Vorsichtig ist man erst in den letzten Jahren damit umgegangen. Und die alte Übersetzung ist futsch.
Es brauchte, bis die Post am englischen Hof zugestellt war. Und dann - der Brief versackte im Ablagekörbchen der Verwaltung, Georg las zwar - aber was sollte er damit - wer war denn schon dieser noname-Absender - was denn, antworten? - na vorsichtshalber ab damit in die Heimatstadt, nach Hannover. Dort wurde aber zu unserem Glück sorgfältig abgelegt. Und ich sag mal nichts über die deutschen Beamten an Georgs Hof.
Alaungphaya muss tief gekränkt gewesen sein als keine Antwort kam. Er fragte sogar nach, so wie wir das heute bei Behörden tun, wenn sich lange nichts rührt und wir langsam sauer werden. So wie er. Für die britische Niederlassung Negrais in Birma bedeutete das ein blutiges Ende. Erst einmal.
In der Ausstellung erfahrt Ihr viel über den Brief, wie er entstand, was alles drin steht, warum die Schrift so ungewohnt rund aussieht, welchen Weg er nahm bis er hier in Hannover ankam und warum - und welcher Schwachkopf ihn 1768 beschädigt hat. Und wie er "wiedergefunden" wurde. Und lest bitte im Brieftext, wie Alaungphaya sich selbst definiert - köstlich... Außerdem zeigt sie wunderschöne Exponate, die alles abrunden, nicht so golden, aber (fast) genauso wunderbar. In der Eingangshalle gibt es einen Flyer mit den Texten der Ausstellung, unbedingt mitnehmen.
Denn wenn meine Sicht der Dinge zu subjektiv und fehlerhaft sein sollte, da steht es richtig.
Der andere Teil des hannoverschen Weltdokumentenerbes ist die Korrespondenz, die unser großer hannoverscher Gelehrte Leibniz geführt hat. Natürlich wird auch sie in der GWLB
aufbewahrt.
Und diese Fotos zeige ich mit der freundlichen Genehmigung der GWLB.