Als ich 6 Jahre alt war, entschied unser Hausarzt, dass meine Mandeln entfernt werden müssten. Damals hatte man die Mandeln als Ursache allen Übels ausgemacht, ihre wichtige Aufgabe in unserem Körper noch nicht erkannt, und ich kenne niemanden in meiner Generation, der sie noch im Hals hat. Also musste ich ins Krankenhaus im Nachbarort, man versprach mir Berge von Eis, die ich essen dürfte um den Hals zu kühlen und ich solle doch ein tapferes Mädchen sein.
Das tapfere Mädchen hat es gehasst.
Jede Minute in diesem Krankenhaus, das so klein und dörflich war. Den Schlafsaal mit 5 Frauen. Die Operation, die nicht in Vollnarkose sondern mit örtlicher Betäubung stattfand. Den kalten Hagebuttentee, den ich hinterher zu trinken bekam. Denn es war Januar und damals gab es im Januar in den Geschäften auf dem Dorf kein Speiseeis zu kaufen.
Das einzige, was mich einigermaßen versöhnte, war, dass ich viele, viele Bücher geschenkt bekam, damit ich auch etwas zur Ablenkung hätte. Meine Großmutter schenkte mir "Hänschen im Blaubeerwald" und das habe ich heute noch und liebe es sehr.
Daran musste ich denken, als mein kleines Hänschen unseren Garten erkundet hat. Er bahnte sich seinen Weg zwischen Frauenmantel und Vergissmeinnicht. Und entdeckte dazwischen das Behaarte Schaumkraut, lateinisch Cardamine hirsuta. Dieses Kraut wächst wirklich überall, es kann fast 1 Meter hoch werden - wenn man es lässt. Denn ich pflücke es für meinen Salat, dem gibt es eine leichte Schärfe und Bitternoten. Die Blüten und Blättchen schmecken wie Kresse, auch auf einem Quarkbrot. Das ist lecker und verhindert gleichzeitig das Aussamen.
Meine Kinder übrigens haben ihre Halsmandeln behalten.