Am Samstag war Sommerfest gewesen. Die Zeitung hatte Werbung gemacht, der Große Garten hatte Werbung gemacht. Kommt, wir feiern. Mit vielen, vielen Familienaktionen, Ponyreiten und Kinderschminken, Basteln, Malen. Und dann war es kühl. Sehr kühl. Es war windig und regnete, schüttete zwischendurch mächtig. Trotzdem, die Familien waren da. Und erstmalig seit dem 18ten Jahrhundert fuhr eine venezianische Gondel auf der Gracht.
Wir kamen erst am Mittwoch danach. Da schien die Sonne, zwischendurch zogen hohe Wolkentürme vorbei, aber es war warm und blieb trocken. Erstaunlich viele Touristen und Schülergruppen waren unterwegs. Wo sie nicht waren, das war die Orangerie. Da waren wir die einzigen Besucher (und ich schreibe bewusst nicht 'Besuchende' und 'Besucherin', weil - ich finde das affig.)
In der Orangerie lief der zweite Teil der 350-Jahre-Ausstellung, die Security-Dame an Eingang war älter als ich, sehr enthusiastisch und sehr erfreut, jemandem ihr Wissen weitergeben zu können. Sie pries uns die Gartenstühle mit dem 350-Jahre Logo an, die könnten wir erwerben, wenn wir wollten. Ich mochte ihr gar nicht sagen, wie sehr mich das Plastik an den Stühlen störte, so sehr, dass ich nie die 49 Euronen dafür ausgeben würde. Solche Liegestühle hatte schon meine Oma, aber komplett aus Holz, die ließen sich aufarbeiten und streichen und mit neuem Stoff versehen, die waren nachhaltig. Nein, wir wollten keinen Stuhl.
Wir hätten dafür in den Pavillon-Shop gehen müssen, da standen auch die herunter- gesetzten Reste an Zitrusbäumchen. (Wenn der Supermarkt am Montag Pflanzen im Angebot hat, sehen die Reste am Freitag auch so aus.) Es gab keinen Shop mehr im Orangerie-Eingang, Eigentlich gab es nur Stellwände mit Text, teilweise Stellwände, die im ersten Teil der Ausstellung schon da gewesen waren. Und zwei, drei Exponate, die auch stehengeblieben waren. Immer noch würde ich es gut finden, wenn aus den vielen Stellwänden ein Buch entstünde. Kein Wunder, dass hier außer uns niemand war.
Aber die Unterhaltung war nett und freundlich.
Im Garten dagegen war viel los. Wir warfen einen Blick in den Feigen-/Küchengarten, das Tor stand offen, Security daneben. Und weil das Restaurant schon geöffnet war, bekamen wir einen Stempel auf die Hand fürs wieder Hineinkommen. Und es war freundlich und nett. Geht doch, sagte der beste-Ehemann-forever.
Selbst der Fürstliche Blumengarten sah besser aus als beim letzten Mal, denn die Zinnien blühten nun in Gelb. Aber so ein kleiner Farbtupfer wäre schön gewesen - in rosa - in lila - in dunkelrot vielleicht?
An den Wegen zeigten Schilder zur nordwestlichen Gracht. Gracht, das ist das schmale Wasserband rund um den Garten, also an drei Seiten um den Garten, an der vierten liegt das nachgebaute Schloss. Auf der Gracht lag die Gondel (noch bis zum Sonntag übrigens) an einem extra von Gerüstbauern gebauten Anleger, samt Gondoliere und weiblicher Begleitung zwecks kassieren und helfen. Wir hätten online eine Fahrt buchen können, 20 Minuten wie Kurfürstin Sophie damals, allerdings war der Mittwoch bereits ausgebucht gewesen, so wollten wir uns auf einige Fotos von 'Gondel in Aktion' beschränken.
Die Familienjugend schüttelte nur den Kopf, 10 Euronen pro Person für 20 Minuten Gracht und wenn es wetterbedingt ausfiel kein Geld-zurück? Aber dann standen wir vor der wirklich prächtigen Gondel und sie lag am Anlegesteg. Eine Frau saß auf dem Wartebänkchen, die übrigen Reservierten waren einfach nicht gekommen. Und so fuhren wir doch Gondel. Zu dritt. Das Einsteigen wackelte bedenklich, danach ging es, Seegang auf der Gracht ist nur minimal. Unser Gondoliere erzählte, eigentlich hätte er rundherum fahren wollen, aber die Gracht sei zu verschlammt und zugewachsen dafür und sie hätten nur bis zur ersten Biegung freie Fahrt. Diese Strecke sei extra für die Gondel gemäht worden, die Fische fänden das gut, deshalb könnten wir mit Glück auch den Karpfen sehen. So ging es geradeaus und wieder zurück. Zu sehen war nicht viel, am Ufer saß ein Mann auf der Bank und guckte auf uns, ich guckte auf das Wasser und versuchte mich wie Sophie damals zu fühlen. Das funktionierte nur teilweise. Vom Gartenweg aus wurden wir fotografiert.
Kurfürstin Sophie und Kurfürst Ernst-August liebten Venedig, mieteten sich dort damals einen Palazzo am Canale Grande samt zwei Gondeln - dann sollte doch auch etwas Venedig nach Hannover kommen. Der engagierte Gondoliere erhielt ein Jahresgehalt von 108 Thalern (ein an andere Länder vermieteter Soldat brachte 100 Thaler pro Jahr ein). Der letzte Gondoliere starb 1721, da war Sophies Sohn Georg I. schon König in England und Sophie bereits 1714 verstorben, Hannover versank in Dornröschenschlaf. Ohne Gondeln.
Deshalb fand ich das 'Gondeln' auf der Gracht sehr charmant. Ein Stück Venedig in Hannover. Und dann flanierten wir zurück.