ein Guru beim ESC

Ja, auch in diesem Jahr. Und wieder mit Stefan Raab. Nachdem er wieder aufgetaucht war wie ein Schachtelteufelchen, geboxt hatte, seine alte Show im Pay-TV und dann im normalen privaten TV wiederbelebt hatte ... mischte er auf einmal wieder beim ESC mit. Erst beim Vorentscheid, wer denn nun für Deutschland fahren durfte, eine sich über mehrere Abende hinziehende Raab-Guru-Show. Und dann wurde es ein österreichisches Geschwisterpaar ... alle, die ich gut fand, waren da schon entweder vom Publikum oder final vom Guru rausgewählt. Aber die beiden, die fand der Guru gut und ließ das auch durchblicken und brav wurden sie von der Publikumscommunity gewählt. Österreicher, die für Deutschland singen. Haben wir nicht genügend deutsche Künstler, die unser Land vertreten können?

OK, auch das ist Zeitgeist. Für Schweden sangen Finnländer, für Irland eine Norwegerin, für Tschechien ein slowakischer Sänger, obwohl - das war ja mal eins. Eine Garantie auf Punktesammeln in den Nachbarstaaten ist das nicht. Irland und Tschechien schieden in den Halbfinals aus und Deutschland bekam von Österreich zwar 12 Publikumspunkte, aber 0 Jurypunkte.

Der Guru verbreitete vorab seine Gewissheit, das Ding zu gewinnen. Ich hatte ein schlechtes Gefühl und keinerlei Erwartungen und deshalb ist ein Platz 15 von insgesamt 26 erstaunlich erfreulich. Genau hingesehen aber ist das noch nicht einmal die erste Hälfte der Final-Teilnehmer - und wie war das mit 'Gewinnen'? Das junge Mädchen war hinterher im Interview den Tränen nahe. Und wieder einmal wurden talentierte Newcomer gnadenlos verheizt. Im Halbfinale sang sie besser als im Finale. Und die Bühnenshow war grotten-grotten-schlecht, das lag aber nicht an den Künstlern, das lag an denen, die sich Bühnenbild und Ablauf ausgedacht hatten. Was das weiße Cello sollte wusste ich noch nie und jetzt auch noch nicht.

Wir schauen ja auch immer die Halbfinalshows, weil, nur da sind die wirklich schrägen Beiträge, die dann auf der Strecke bleiben - und manchmal auch Perlen wie 'Snap', die hinterher im Radio rauf und runter laufen. Diesmal allerdings kam das Schräge weiter. Diesmal fand ich es schade für Zypern, die ein Baugerüst dabei hatten (ähnlich wie wir früher einen Quadro-Kasten für die Kinder), für Slowenien (die traurige Ballade war das einzig Echte am Abend), und für Australien mit dem Milks-hake Man (von der Zeitung genau so getrennt und nicht anders).

Was in Erinnerung bleibt? Hell-grelles Licht, Dunkelheit, ein bombastisches Geschehen auf LED-Leinwand und Fußboden und viel zu viele Feuereffekte der schweizerischen Bühnengestaltung. Dass das nicht sein musste, zeigte der schweizereigene Beitrag, auf einmal ohne das alles. Schön Retro. Kam beim Publikum gar nicht an, aber egal, irgendwo dazwischen wäre noch viel Platz. Es wurde gegrillt und sauniert, das war lustig und die Choreographie mit vielen Kniebeugen genauso. Es gab Männer ohne Knochen in den Beinen, die zu viel Kaffee tranken (Tipp: bei Harry Potter gibt es einen Zaubertrank, der Knochen nachwachsen lässt) und ein seltsames Flugzeug dabei hatten, in das ich nie steigen würde. Es gab passend dazu, aber von einem anderen Land, Hexen mit leuchtendem Haarkranz, die Beschwörungsformeln sangen bis sie einen Affenschwanz hatten, hex hex. Ein anderes Land: eine rote Hexe beschwor zusammen mit Satan das Feuer. Erfolgreich. Es gab einen Drachen, hei der war gut, aber nur animiert. Es gab viele, viele Anleihen bei Starwars, Stargate und Startreck und Raumschiff Orion. Viel schwarzes Leder und Nieten, Lack und Nieten, Kleider, die sich verwandelten, Püppchen-Petticoats, Mao-Gedenk-Anzüge mehrfach und nackte Oberkörper. Sexuelle Anzüglichkeiten waren in, kamen aber weniger gut beim abstimmenden Publikum an als vorher in den Medien befürchtet.

Fast gewonnen hätte eine Zeitlang die Schweiz, eine Zeitlang Italien. Italien, ein reduzierter Rückblick in die 70er und der Sänger ... mein Gott, iss was Ordentliches Junge, du bist zu dünn. Das Publikum gab die meisten Stimmen an Israel, die Länderjurys an Österreich. Übrigens identisch mit dem deutschen Voting. Gewonnen hat dann der junge Countertenor aus Österreich.

Der Guru sagte hinterher, er übernähme die Verantwortung. Definiere 'für was'. Definiere 'wie sieht Verantwortung tragen' aus?

Derweil verkündete Thomas Gottschalk seinen Rückzug aus den Medien.